›Was mich immer wieder begeistert, ist deren Begeisterung‹

BENJAMIN MOLDENHAUER

Der Berliner Regisseur Hasko Baumann hat eigene Filme gedreht und ist einer der Erfinder der Arte-Reihe ›Durch die Nacht mit …‹. Außerdem ist er Realisator diverser Kochshows wie ›Kitchen Impossible‹, ›Mälzer und Henssler liefern ab!‹ oder ›Roadtrip Amerika – Drei Spitzenköche auf vier Rädern‹. Wir haben mit ihm über Food-Fotografie, Fernsehköche und die Begeisterung für die Sterne-Küche gesprochen.

Wann hast du im Kochshow-Genre angefangen?

Hasko Baumann: 2014, vor zehn Jahren jetzt. Das war für die Sendung zu diesem Hochglanzmagazin ›Beef‹. Da gab es einen Moment, in dem ich realisiert habe, ich könnte das für immer machen. Ich habe ja vorher schon viel mit Künstlern, Schauspielern und überhaupt Prominenten zusammengearbeitet und habe gemerkt, dass die Vertreter dieser kulinarischen Welt mir einfach angenehmer sind. Weil die mehr Begeisterung für das haben, was sie tun.

Ist es denn schwierig, Essen für die Kamera in Szene zu setzen? Das kann ja auch schnell eklig oder einfach langweilig aussehen.

Das unterscheidet sich nicht wesentlich vom Filmen anderer Dinge, die man gut aussehen lassen will. Das Geheimnis ist Licht und Setting, und das einzig Heikle ist eigentlich der Faktor Zeit. Wenn man Köche bei der Zubereitung fotografiert, geht es eigentlich. Aber bei fertigen Gerichten ist das schon manchmal schwierig, die sehen sehr schnell nicht mehr gut aus. Und die feine Küche hat ja auch einen Glanz, der geht schnell verloren. Den kann man natürlich auch mit Licht noch ein bisschen anheben. Bei der Foodfotografie wird teilweise mit Feuchtigkeitsspray gearbeitet, das verwende ich nicht. Was wirklich hilft, sind Zeitlupen. Alles sieht größer und feiner aus. Es wirkt in Slow Motion auch erhaben, wenn du eine Zwiebel schneidest. Aber wenn wir einen Vorgang in der Küche filmen, und es sieht einfach nicht gut aus, da kannst du nichts machen, dann sieht es eben einfach nicht gut aus.

Kochen ist ja nicht zuletzt auch eine sehr ruhige, meditative Angelegenheit. Musst du da extra für Dynamik sorgen?

Nee, das stimmt so nicht. Wenn alles vorbereitet wird für den Service, wenn Gemüse geschnitten wird und so weiter, das ist relativ ruhig. Aber Service ist immer Hektik, auch schon auf kleinem Level. Wenn ich möchte, dass sich so eine – ich habe kein besseres Wort – Erhabenheit in der Küche vermittelt, filme ich sehr statisch. Manchmal, wenn man Hektik abbilden will, muss man die Hektik auch selbst generieren, damit der Zuschauer das mitbekommt. Da arbeite ich gerne mit so einem kleinen Bildversatz, die Bewegung ruckelt, und das Bild atmet.

Die Köche, mit denen du zusammenarbeitest, sind ja alle sehr starke Charaktere. Tim Mälzer und Steffen Henssler zum Beispiel. Was verbindet die Fernsehköche, mit denen du arbeitest, in deinen Augen?

Steffen und Tim sind Entertainer, die wissen, wie man Fernsehen macht. Davon gibt es gar nicht so viele unter den bekannten Namen. Tim Raue, Frank Rosin, noch ein paar. Die anderen sind mehr Köche als Fernsehmenschen. Was die Genannten gemeinsam haben, ist das Große, Laute. Was mich immer wieder begeistert, ist deren Begeisterung, wenn es zuallererst ums Essen geht. Dann wirken die auf mich wieder echt.

›Tim Mälzer ist kein Sternekoch. Seine Rolle ist der Underdog. Die Leute nehmen ihn auch so wahr, egal, wo er hinkommt, und sehen ihn sofort als Kumpel.‹

In den Sendungen taucht immer wieder das Motiv auf, dass die Köche alles toughe und dominante Typen seien. Spielt das für dich beim Drehen eine Rolle?

Tim Raue zum Beispiel ist auch eine Kunstfigur. Der packt den Aspekt selbst mit rein und spricht gern darüber, wie schlimm er früher zu seinen Leuten gewesen ist. Insgesamt wird das aber weniger. Der herrische, pompöse Koch verschwindet. Komplett flache Hierarchien funktionieren in der Küche aber nicht, es muss schon eine Leitung geben.

Tim Mälzer ist mit seiner depressiven Erkrankung an die Öffentlichkeit gegangen. Und Depression hat ja auch viel mit Überforderung zu tun. Ich finde, Mälzer sticht vom Gestus aus der Reihe der anderen ein bisschen raus.

Tim Mälzer ist kein Sternekoch. Seine Rolle ist der Underdog. Die Leute nehmen ihn auch so wahr, egal, wo er hinkommt, und sehen ihn sofort als Kumpel. Und er behandelt die auch so. Die Dämonen, die er hat, die haben viele von den anderen aber auch.

Der Kochberuf ist jedenfalls einer der letzten, in denen man noch so ungebrochen Macher sein kann. Das Betuliche, was zum Beispiel Alfred Biolek als Fernsehkoch hatte, wäre heute gar nicht mehr vermittelbar.

Das gibt es schon noch, in den dritten Programmen. Und in dem Rahmen laufen die auch ganz gut.

›Natürlich gibt es auch in dem Bereich eine Eventisierung. Alles wird zur Competition, und da muss man sich dann auch beim Kochen vor der Kamera irgendwie miteinander messen.‹

Wie hast du denn die Entwicklung der Fernsehkochsendungen in den letzten Jahren generell wahrgenommen?

Also erstmal staune ich, dass die gehobene Küche so eine Normalisierung erfahren hat. In der Sendung ›The Taste‹ zum Beispiel wird auf sehr, sehr hohem Niveau gekocht. Mir kann keiner erzählen, dass nur einer der Sat1-Zuschauer sich danach selber hinstellt und das ausprobiert. Es gibt Trashvarianten, aber insgesamt hat keine Vertrashung stattgefunden. Da ist schon viel Wertschätzung für gute Küche in den Sendungen zu sehen, und das Essen steht oft tatsächlich im Mittelpunkt.

Wie haben sich die Kochshows denn in den letzten zehn Jahren verändert? Das Kompetitive ist schon neu, oder?

Ja, das fing an mit dem ›Kochduell‹ auf Vox 1997, dann kam ›Das perfekte Dinner‹. Das waren die Vorläufer. Natürlich gibt es auch in dem Bereich eine Eventisierung. Alles wird zur Competition, und da muss man sich dann auch beim Kochen vor der Kamera irgendwie miteinander messen. Der Urknall für das aktuelle Kochfernsehen aber war ›Kitchen Impossible‹, und das sag ich jetzt nicht, weil ich die Sendung auch drehe. Die Idee, Köche antreten zu lassen und sie wirklich als Protagonisten herauszuarbeiten, war neu. Das ging mit einer Stilistik einher, die im Fernsehen damals fast verschwunden war: extrem schöne Bilder, super Musikauswahl. Das war eigentlich tot. Bis dahin lief Eros Ramazotti, wenn einer zum Italiener ging. Es war schlimm, und ›Kitchen Impossible‹ hat das verändert. Sehr wichtig war aber auch Jamie Oliver in England. Plötzlich hattest du da einen sehr vitalen jungen Briten, der sehr nachvollziehbar gekocht hat und dabei auch unaufgeräumt war, der auch mal gekleckert hat. Das kann man gar nicht überschätzen. Jamie Oliver hat wirklich viele Leute ans Kochen gebracht. Wahrscheinlich mehr als alle anderen im Fernsehen. Und ungefähr zeitgleich kam Gordon Ramsay. Das war dann die Urfigur des cholerischen, dominanten männlichen Chefs.

Hast du eine Prognose, wie sich die Kochshows in den nächsten Jahren entwickeln werden?

Ein Trend, den ich sehe, sind Roadtrips. Es wird in Zukunft mehr Köche unterwegs geben, die nach draußen gehen. Da geht es nicht um konstruierte Herausforderungen, sondern um welche, die sich auf der Reise ergeben. Köche, die normalen Menschen begegnen, die halt eine tolle Kartoffel züchten oder zufällig eine geile Lasagne machen. Sowas mag ich sehr.

Ist dieses Profikochwesen auch jenseits der Kamera etwas, das dich anzieht?

Ja. Ich wurde zu meinem Vierzigsten von einem Freund ins Restaurant von Tim Raue eingeladen. Das war meine erste Berührung mit dieser Art Essen, und ich war am Haken, das hat mich sofort begeistert. Auch dass Raue das so zelebriert, wie einen Opernbesuch. Jahre später habe ich dann für Red Bull eine Sterneköchesendung gemacht und mir gesagt, okay, wenn ich die Möglichkeit schon habe, dann gehe ich da dann auch essen. Gleichzeitig wuchs meine Kochleidenschaft enorm. Das kam alles zusammen.