Tanz und Inklusion

GUDRUN GOLDMANN

Günther Grollitsch ist Tänzer, Choreograf, Projektentwickler sowie Mitbegründer und zusammen mit Corinna Mindt künstlerischer Leiter von tanzbar_bremen. Er plant, organisiert und kümmert sich um die Finanzierung und Antragstellung der Tanz-Vorhaben. Außerdem erarbeitet er neue Projekte und Formate und choreografiert tanzbare Bühnenproduktionen. Doch was genau ist tanzbar_bremen?

›Tanzbar-Bremen ist ein Kollektiv aus Tänzer:innen, Choreograf:innen sowie Kulturschaffenden mit unterschiedlichen Fähigkeiten‹, erklärt Grollitsch. ›Im Zentrum der Arbeit steht die Stärkung des zeitgenössischen Tanzes durch ein inklusives Prinzip, zu dem gemeinsame Erarbeitung, Präsentation und Durchführung von Tanzproduktionen, Workshops, Unterhaltungs- und Festivalformaten gehören.‹

Ganz neu ist das Projekt nicht und viele Bremer:innen kennen es, denn es entstand bereits 2003 unter dem Dach von steptext dance project, wurde 2009 ein eigener Verein und veranstaltet seitdem auch alle zwei Jahre das internationale Festival für inklusive Tanzkunst ›eigenARTig‹ zu dem nationale wie internationale Compagnien nach Bremen reisen.

›Mit Corona hat das Festival pausiert, da im Moment die Entwicklung eigener Probenräume im Mittelpunkt steht. Aber in den kommenden Jahren soll es wieder aufgelegt werden‹, sagt Grollitsch. Bundesweit wurden auch Menschen außerhalb der Tanzszene auf den Verein aufmerksam als die Bremerin Neele Buchholz, Tänzerin und Schauspielerin mit Down-Syndrom, in verschiedenen TV und Film-Produktionen auftrat. Seitdem gibt sie immer wieder Interviews in großen Tageszeitungen und Magazinen und ihre Ausbildung bei tanzbar_bremen kommt zur Sprache. Dass sich das Medieninteresse verändert hat, zeigt sich daran, dass auch die jetzigen Mitarbeiter:innen mit Down-Syndrom schon in vielen Interviews in den bundesweiten Medien präsent waren.

Aufmerksamkeit gab es auch, als tanzbar_bremen im Mai 2022 mit der Blauen Rose, dem Bremer Inklusionspreis ausgezeichnet wurde. Der Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein sagte damals in seiner Rede: ›tanzbar_bremen ist eine tragende Säule für eine inklusive Stadtentwicklung. Als Arbeitgeber für ein inklusives Team, Kooperationspartner und Vermittler zeigt der Verein, wie Inklusion gelingen kann.‹

Doch neben der großen Bühne gibt es auch den Alltag auf der Probebühne. Was passiert unter der Woche, welche Angebote gibt es? Grollitsch: ›Neben den täglich stattfindenden Trainings und Proben werden auch Kurse und Workshops erarbeitet und durchgeführt. Diese werden seit dem Einzug in die Plantage 13 auch vermehrt in Bremen angeboten.‹ 

Kreative mit Behinderungen sind in der deutschen Kulturlandschaft immer noch eine Ausnahme. Ein Grund dafür ist, dass künstlerisch talentierte Menschen mit Behinderungen, die sich außerhalb der Behindertenhilfe beruflich qualifizieren wollen, kaum Angebote finden. Aus diesem Grund setzt sich Eucrea, der Verband Kunst und Behinderung e.V., seit 1989 dafür ein, dass sich das ändert. Zu seinen knapp 100 Mitgliedern in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehört natürlich auch das Bremer Projekt. Sie sind auch Teil des Programms ART+, das die Öffnung von Kunsthochschulen für inklusive künstlerische Ausbildung vorantreibt.

›In Bremen ist die autodidaktische Ausbildung nach wie vor der Weg den Künstler:innen hauptsächlich einschlagen können. Kurse im Freizeitzusammenhang eben. tanzbar_bremen erprobt seit 2022 einen alternativen Ausbildungsweg zum Tänzer für einen Menschen mit Behinderung. Dies ist bisher einzigartig in Deutschland. Ermöglicht wird dies durch die Zusammenarbeit mit dem Berufsbildungsbereich KwerWege Bremen, einer Initiative der Werkstatt Bremen‹, erläutert Grollitsch. ›Im Moment wird auch über das Programm Pik der Bundeskulturstiftung Nachwuchs für und Professionalisierung der inklusiven Tanzszene in Bremen vorangetrieben und unsere Hoffnung ist groß, dass die Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für Künstler:innen mit Behinderung in Zukunft zunehmen.‹