Sit'n'Skate

LISANN PRüSS

Es ist Freitag, 12 Uhr in der Sportgarten Skatehalle P5 und David und Lisa Lebuser bereiten sich auf das monatliche Rollstuhl-Skate-Treffen in Bremen vor. Große Wagen mit Skate-Rollstühlen werden hereingeschoben und bunte Flyer und Sticker mit dem Slogan ›Sit’n’Skate – destroying stereotypes‹ auf einer Bank abgelegt.

Nach und nach kommen die Teilnehmer:innen in die Halle und begrüßen sich, einige kennen sich bereits, andere noch nicht, denn es können jederzeit neue Leute dazu kommen und das Rollstuhlskaten ausprobieren. Lisa erzählt mir später, dass jede:r Rollstuhlfahrer:in willkommen ist, dass Alter keine Rolle spielt und das Event auch nichts kostet, denn es ist ihnen besonders wichtig, dass die Treffen möglichst niedrigschwellig sind. Hier gibt es ein paar Kinder mit ihren Eltern, Jugendliche, Erwachsene, die Mehrheit bei den Treffen ist jedoch zwischen 8 und 14 Jahren.

Bis alle da sind, befahren einige Kinder (gut gesichert mit Helmen und Schützern) schon die Halfpipes, Quarterramps und Rails, von denen es viele in der großen Skatehalle gibt. Nach einer Vorstellungsrunde wird mit einem Aufwärmspiel begonnen, von dem die Kinder begeistert sind: Ein Eisbär muss die anderen Fische ticken. In einer unglaublichen Geschwindigkeit fahren alle auf ihren Rollstühlen durch die Halle, um auf die andere Seite zu gelangen, ohne getickt zu werden. Dabei weichen sie geschickt anderen aus und umfahren die Hindernisse in der Halle.

Währenddessen unterhalte ich mich mit Ana, die mit ihren drei Kindern hier ist. ›Mein Sohn hat hier sehr viel Spaß! Seit den regelmäßigen Rollstuhl-Skate-Treffen ist er schon fast mit dem Rollstuhl verwachsen, und kann sich wesentlich sicherer im Alltag darin bewegen‹, erzählt sie mir. Dies ist besonders wichtig, da seine Schule nicht barrierefrei ist.

Finya ist auch schon seit Beginn begeistert dabei: Sie ist bereits eine Meisterin im Kippeln, was hier im Skatepark ein echt cooler Trick ist und außerhalb auch zum Beispiel beim Bordstein helfen kann. Scheinbar mühelos verlagert sie ihr Gleichgewicht, sodass sie nicht auf vier, sondern nur auf den beiden hinteren Rädern stehen kann. Sie ermuntert mich dazu, den sogenannten Wheelie selbst auszuprobieren. Mit Davids Hilfe fahre ich also mit dem Rollstuhl in eine Lücke zwischen zwei der dünnen Matten, damit die Räder blockiert werden und nicht wegrollen, während ich mich nach hinten lehne und versuche den entsprechenden Gleichgewichtspunkt zu finden, damit ich nicht umkippe. Nachdem dies einigermaßen klappt, darf ich es mit dem Rücken zur großen blauen Matte versuchen.

Jetzt kann ich sehen, ob ich es auch schaffe, wenn ich theoretisch nach vorne wegrollen könnte: Was auch passiert, doch ich lande weich mit dem Rücken auf der großen Matte. Die anderen üben auch und David motiviert sie und gibt Hilfestellungen. Dann zeigt er uns, wie es aussieht, wenn man am Rollstuhlskaten dranbleibt: Mit viel Schwung und Kraft fährt er eine große Rampe hoch und kommt auf der höheren Ebene zum Stehen. Schnell fährt er diese herunter und grindet über eine Rail (er gleitet über eine Metallstange), um schließlich auf dem ebenen Boden wieder anzuhalten. Alle applaudieren.

›So etwas möchte ich auch mal können!‹, kommentiert Finya. Aber um solche Profi-Tricks wie David zu machen, bräuchte man einen richtigen Skate-Rollstuhl. Dieser besitzt im Gegensatz zu den Alltagsrollstühlen eine bessere Federung in den Rädern und eine Querstange zwischen diesen, die das Grinden ermöglicht, so wie es David gemacht hat. Sie bekommt bald ihren eigenen, welcher jedoch nur von der Krankenkasse bezahlt wird, weil sie ihn diesen auch für den Sportunterricht in der Schule benötigt. Für Erwachsene ist es ein Kampf mit der Krankenkasse, erzählt mir ein Teilnehmer. ›Man muss bedenken, wie viel günstiger es ist, für eine Person, die keinen Rollstuhl benutzen muss, ein neues Hobby anzufangen, sich zum Beispiel ein billiges Fahrrad zu kaufen.‹ Die Möglichkeit, die eigene Freizeit zu gestalten, wird dagegen für Menschen im Rollstuhl erheblich erschwert.

Über solche Dinge könne hier dann geredet werden und ein solcher Austausch sei auch eines der Ziele dieser Treffen, erzählt mir Lisa. Bevor sie und David Sit’n’Skate 2016 gegründet haben, war David schon oft bei sogenannten WCMX (Wheelchair Motocross) Wettbewerben, unter anderem auch in den USA, wo er sogar den ersten Platz belegte. Für die Skatetreffen ist ihnen jedoch das Zusammenkommen, der gemeinsame Sport ohne Konkurrenz und Leistungsdruck, sowie ein Safespace für alle Teilnemenden besonders wichtig. Der zweite Schritt ist dann, wenn man möchte, sich draußen auf einen öffentlichen Skatepark zu trauen, was David und Lisa dann auch mit den Teilnehmenden üben. ›Wir trainieren, uns den Skatepark ganz selbstverständlich zu eigen zu machen, wie alle anderen auch‹, sagt Lisa. Denn das Rollstuhlskaten soll nicht in die Kategorie Behindertensport fallen und so einen Sonderstatus bekommen, sondern es gehört einfach zur Skateszene dazu.