Alle Bretter fliegen hoch

ANDREAS SCHNELL

Am 19. August treffen sich beim Endless Grind Skater:innen aus ganz Deutschland in Bremen, um auf dem Außengelände des Kulturzentrums Schlachthof Wallies, Kickflips und Street Plants vorzuführen, während über die Soundanlage Punk und Hardcore den Soundtrack liefern.

Laute, schnelle Musik und Skatebord-Fahren gehören seit Jahrzehnten zusammen. Und seit 1997 feiern sie in Bremen ihre Verbindung – zumindest, wenn keine Pandemie dazwischenkommt. Zwei Mal musste der Endless Grind wegen Corona ausfallen, weshalb die 25. Ausgabe etwas verspätet, erst in diesem Jahr gefeiert wird.

Die Geschichte der Old-School-Skateboard-Session beginnt 1996 in Neuss, als ein paar Aktivisten aus dem Umfeld des Punk-Fanzines ›Blurr‹ und des Geschwister-Scholl-Hauses den ersten Endless Grind organisierten. 1997 gab es in Neuss eine zweite Ausgabe und dank freundschaftlicher Verbindungen auch eine in Bremen. Seitdem gibt es nur noch den Bremer Endless Grind, wo sich die Szene seither alljährlich trifft. ›Eigentlich hat sich gar nichts geändert‹, sagt Bettina Geile vom Kulturzentrum Schlachthof, die die Party seit Anbeginn mit organisiert, über den Endless Grind. Das bedeutet: Einen ganzen Tag lang wird auf dem Außengelände des Schlachthofs geskatet wie damals in den 80ern, als Bands wie Suicidal Tendencies, Agent Orange, JFA, die Spermbirds und viele andere die Verbindung von ungehemmtem Spaß auf Rollen und rebellischer Musik feierten. Und Live-Musik gibt es auch, wobei das stilistische Spektrum von eher klassischem Punk-Rock bis zu Thrash-Metal reicht, der damals übrigens ebenfalls eine recht innige Verbindung zum Skateboard pflegte.

Wie es damals alles angefangen hat mit dem Skateboard und seinem Einzug in die Punk- und Hardcore-Szene, weiß einerseits natürlich niemand so ganz genau – Buchführung war damals einfach nicht so wichtig. Es darf aber als gesichert gelten, dass das Skateboard einst von Surfer:innen in Kalifornien erfunden wurde, die sich Rollen unter die Bretter schraubten, um auch ohne Wellengang ihrem Sport zu frönen. Und der in den frühen 80er-Jahren nicht zuletzt in Kalifornien entwickelte Hardcore-Punk von Bands wie Black Flag oder den Descendents passte einfach zu gut zu dem anarchischen Lebensgefühl der Skateboard-Szene, die ihren Sport mangels eigens dafür bereitstehender Orte in leerstehenden Swimming Pools und auf der Straße ausübte. Der Do-it-yourself-Gestus der ersten Skater, die sich ihre Bretter selbst zusammenbastelten, passte obendrein gut zum Ethos der frühen Hardcore-Bands, die sich ihre Strukturen, in Ermangelung vorhandener, ebenfalls selbst aufbauen mussten.

Die beim Skateboarden unvermeidlichen gelegentlichen und durchaus lebensgefährlichen Konflikte mit dem Autoverkehr haben dem Endless Grind übrigens eine seiner konstanten Attraktionen beschert: ›Skater:innen sind ja immer verdrängt worden‹, erklärt Bettina Geile, weshalb alljährlich ein schrottreifes Auto auf dem Platz vor dem Schlachthof geschleppt wird, das von den Skatern und erfreulicherweise immer mehr und mehr Skaterinnen fröhlich geschändet wird - auch das übrigens eine kalifornische Tradition wie Pascal Wiens erklärt, der von Anbeginn Teil der Crew war.

In den 90ern wurde die Liaison Skateboard und Punk dann Mainstream, inklusive der obligatorischen Kommerzialisierung und Professionalisierung, was - man kennt das eigentlich aus jeder Subkultur - gelegentlich zu Abgrenzungsbestrebungen derer, die ›schon damals dabei‹ waren, gegenüber den Nachgekommenen führte. Als solche ließe sich auch die Regel verstehen, dass beim Endless Grind keine BMX-Räder oder Inline -Skates zugelassen sind. Aber das klingt womöglich ideologischer, als es ist. Wiens erklärt: ›Wir haben mal probiert, BMX zu integrieren, aber das war einfach zu viel für einen Tag.‹ Inline Skates sind dann nochmal was anderes. Die findet Wiens ›schon okay‹, aber das sei einfach nicht so spannend wie Skateboard-Fahren.

Wiens ist schon Ende der 80er-Jahre zum Skateboard gekommen, mit 13 Jahren. Die Tricks schauten er und seine Freunde sich einst von Videos wie ›Wheels Of Fire‹ oder ›Streets On Fire‹ ab, die in der Szene kursierten, Youtube-Tutorials gab es schließlich noch nicht. Und die Musik wurde kurzerhand vom Video auf Musikkassetten kopiert und beim Skaten gehört. Auch das Filesharing war alte Schule. A propos: Den angedeuteten Konflikt zwischen neuer und alter Schule findet Wiens eher unwichtig. Aber es geht ihm und dem Rest der Crew dann eben doch um den Spirit jener frühen Jahre, als es vor allem um ein Lebensgefühl ging, ein Gefühl von Freiheit, und nicht um materiellen Erfolg. Weshalb auch die Contests, die seit jeher zum Endless Grind gehören, für ihn eher Spaß als Ernst sind, es überhaupt eher um Stil geht als um Artistik. Wer einmal zugeschaut hat, kann das bestätigen: Die Stimmung ist entspannt, freundschaftlich. Viele Skater:innen kommen seit Jahren aus Dortmund, Berlin, Düsseldorf und Köln, über die Jahre sind da so manche Freundschaften entstanden.

In diesem Geiste wird dann auch dieses Jahr einen Tag lang in den Disziplinen Pool, Street, Hoch- und Weitsprung konkurriert, wobei vor allem im Pool auch auf Stil Wert gelegt wird. ›Das Grinden auf den Curbs und das Surfen im Pool sind wichtig‹, erklärt Bettina Geile, wobei Ersteres natürlich der Veranstaltung über ein paar Umwege den Namen gab: Gemeint ist das Rutschen auf einer oder beiden Achsen des Skateboards entlang einer Kante, sei es ein Bordstein oder der Rand eines Swimming Pools.

Ich glaube, keiner kommt, um den ersten Platz zu machen. Wenn mal ein Trick nicht klappt, ist es auch egal, dann trink ich eben ein Bier.
Pascal Wiens