Grenzenlos rollen

LARA BECKER

Als Skateboarding Ende der 1950er Jahre durch das Befahren leerer Swimmingpools in Kalifornien entstand, war das Geschlechterverhältnis der Fahrenden lange Zeit nahezu ausgeglichen. Erst seit den 70er Jahren ist der Sport männerdominiert, auch wenn es weibliche* Skater:innen immer gegeben hat.

In Bremen öffnet der Sportgarten für FLINTA*-Skater immer montags von 17 bis 19 Uhr seine Skatehalle im P5 nahe des Bremer Hauptbahnhofs und schafft so einen Safe Space zum Ausprobieren, Trainieren und Austauschen, abseits von Druck und Beurteilungen, dem insbesondere weibliche* Fahrende im öffentlichen Raum ausgesetzt sind.

Ursprünglich als Skateboard-exklusives Projekt unter dem Titel ›Girls* Only‹ gestartet, wurde vor ein paar Monaten der Titel um FLINTA* ergänzt. ›Am Ende will ich auch niemanden ausschließen‹, sagt Übungsleiterin Michaela. Durch die Rollschuhfahrerin wurde das Angebot auch inhaltlich erweitert, sodass mittlerweile alles, was Rollen hat, gefahren werden darf.

Für alle ohne eigenes Equipment lagern unter einer der vielen Rampen Inliner, Skateboards, BMX-Räder, Scooter und Schutzbekleidung zum Ausleihen, sodass vieles einfach ausprobiert werden kann. Grundsätzlich ist es ein offenes und zwangloses Angebot. Von cis-Dudes abgesehen, sind alle willkommen, weder gibt es die Pflicht regelmäßig teilzunehmen, noch muss in einen Verein eingetreten werden. Lediglich alle über 18 zahlen drei Euro pro Termin. Auch ›vom Alter her sind wir total breit gefächert‹, sagt Michaela.

Eine Besonderheit des FLINTA*-Skatens ist die komplett leere Halle, die ansonsten montags für die Öffentlichkeit geschlossen ist. ›Für mich war immer das Wichtigste, dass es ein sicherer Ort ist, wo man sich ausprobieren und auch in Ruhe üben kann‹, sagt sie. Ein Luxus, der auf öffentlichen Skateplätzen selten zu finden ist, was besonders Anfänger:innen einschüchtern kann. ›Man muss sich den Raum erkämpfen, der wird einem nicht verwehrt, aber eben auch nicht geschenkt.‹

Wie wichtig dieser geschützte Raum ist, weiß auch Teilnehmerin Dalia, die bereits mit elf Jahren auf dem Skateboard in einer Weyher Halfpipe fuhr, heute mit Rollschuhen jedoch wieder Anfänger:innen-Erfahrungen sammelt. ›Ich fahr nicht immer, weil ich noch nicht so gut fahre und mir das zu hektisch ist‹, sagt sie. Beim Montagsangebot ist immer viel Support, eine ›entspannte Atmosphäre‹ und ›auffällig, dass jeder Rücksicht nimmt‹. Auch der Holzboden auf den Rampen sei hilfreich, im Vergleich zum harten Beton in der Überseestadt oder am Schlachthof. Sie selbst engagiert sich ehrenamtlich für Skateprojekte in Bremen und im Irak, die sich für marginalisierte Gruppen einsetzen.

Wie empowernd das Skaten für Frauen und Mädchen sein kann, zeigt sich zum Beispiel in Afghanistan durch dessen im internationalen Vergleich höchste Quote von Skaterinnen. Während den Mädchen andere Sportarten dort oft untersagt sind, unterliegt dieser neue Sport keinen traditionellen Regeln, weshalb allen das Skaten gestattet ist. Auch in Bremen wächst die Community beständig, im P5 sind von Anfänger:innen bis zu Contest-Teilnehmer:innen alle Level vertreten. Vernetzt wird sich vorwiegend über WhatsApp-Gruppen, in denen sich auch außerhalb des FLINTA*-Skatens verabredet wird, da viele lieber im Kollektiv fahren.

Grundsätzlich weicht seit etwa zehn Jahren das starre Geschlechterverhältnis langsam auf. Profi-Skater:innen wie Sky Brown, Rayssa Leal oder Leticia Bufoni sind nicht nur sportlich extrem erfolgreich, sondern haben Millionen Follower:innen auf ihren Social-Media-Kanälen. Einen immensen Push gab dem Frauen*-Skateboarding außerdem die erstmalige Zulassung zu den Olympischen Spielen in Tokio 2021. So kritikwürdig die streng binäre Einteilung bei den Wettkämpfen Olympias sein mag, verhalf sie dennoch den Skater:innen zu mehr Aufmerksamkeit, Professionalität und Gleichberechtigung.

Bremenweit ist das FLINTA*-Skateprojekt aktuell einzigartig. ›Montags ist es schön ein Ritual zu haben und dass man einen festen Ort hat‹, sagt Dalia, grundsätzlich gebe es in Bremen zu wenig Raum für Skater:innen. Erst durch das Montagsangebot wurde ihr klar, wie wichtig es ist, solch einen Platz zu haben. Mit dem Girls Only/FLINTA-Skaten schließt der Sportgarten Bremen e.V. somit durch Übungsraum, Regelmäßigkeit und lockere Atmosphäre eine Lücke und bietet ein Angebot, von dessen Art Bremen noch viel mehr gebrauchen könnte.