Wie der Kaffee nach Bremen kam

VICTORIA STEINMETZ

Die Geschichte der Kaffeebohne geht mit wirtschaftlichem Erfolg, aber auch mit viel Leid und Blut einher. Entstanden ist ein Getränk, das für viele von uns nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken ist: 166 Liter Kaffee trinkt die/der Durchschnittsdeutsche im Jahr. Für die deutsche Kaffeegeschichte spielt Bremen eine enorme Rolle. Hier befindet sich Deutschlands größter Importhafen für Kaffee, fast jede zweite Bohne kommt über Bremens Hafen ins Land.

Doch beginnen wir am Anfang. Die Geschichte des Kaffees geht zurück bis ins 9. Jahrhundert. Einer Legende nach soll ein Hirte im Südwesten Äthiopiens – dem Ursprungsland der Pflanzengattung Coffea – seine Ziegen nachts herumspringen gesehen haben, nachdem sie von den Kirschen der Kaffeepflanze fraßen. Anschließend probierte er selbst und bemerkte die belebende Wirkung, die die Pflanze auf ihn hatte. Damals wurde der Kaffee wie Tee zubereitet, die Blätter und getrockneten Kirschen, in denen die berühmten Kaffeebohnen enthalten sind, wurden mit heißem Wasser übergossen.

Durch Sklavenhändler gelang das neuartige Getränk im 15. Jahrhundert erst nach Kairo und von dort aus ins Osmanische Reich und nach Istanbul. Dort angekommen entsprach die Zubereitungsweise der heutigen. Doch die Araber wollten ihre neue Errungenschaft vorerst unter eigener Verantwortung wissen, weshalb sie nur die rohen Kaffeebohnen exportierten, die sie zuvor mit heißem Wasser übergossen hatten. Diese Prozedur nimmt den Bohnen ihre Fähigkeit zu keimen, woraufhin in anderen Staaten zwar Kaffee zubereitet, jedoch keine neuen Pflanzen angebaut werden konnten. Später im 15. Jahrhundert wurden die ersten Kaffeeplantagen in Südamerika gegründet. Auf diesen ging es alles andere als friedlich zu. Um überhaupt Arbeitskräfte zu haben, wurden Sklav:innen aus Westafrika entführt. Diese wurden auf Schiffen unter unmenschlichen Bedingungen nach Südamerika transportiert.

Angekommen auf den Plantagen ging es für die Arbeiter:innen nicht viel besser weiter. Sie bekamen wenig Nahrung und lebten in überfüllten Hütten. Sie arbeiteten ohne Lohn und Einhaltung der Schutzmaßnahmen, was zu Arbeitsunfällen und damit häufig auch zum Tod führte. Bei Arbeitsverweigerung oder Fluchtversuchen gab es brutale Bestrafungen von den Plantagenbesitzer:innen. Abseits dieses Leidens nahm das Geschäft um die Bohne mächtig an Fahrt auf. In Istanbul wurden erste Kaffeehäuser gegründet.

1582 kam der erste Kaffee als Souvenir aus dem Orient nach Deutschland.

Als im 17. Jahrhundert die Kolonialisierung begann, kippte die Machtstellung der arabischen Welt und der Schwerpunkt des Kaffeehandels verlagerte sich nach Europa. Handelswege wurden ausgebaut, sodass die Bohnen tonnenweise in die Häfen kamen, so auch nach Bremen. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass das erste deutsche Kaffeehaus 1673 hier im heutigen Schütting eröffnet wurde. Während Kaffee zunächst als Luxusgetränk galt und beliebt bei der adeligen Oberschicht war, entwickelte er sich im 19. Jahrhundert zum Massengetränk. Er wurde vor allem auf den Plantagen in Südamerika produziert, durch die voranschreitende Industrialisierung wurde der Handel einfacher und die Arbeiterschicht wohlhabender. Der Oberschicht ging es beim Kaffeekonsum hauptsächlich um den Genuss, der Arbeiterschicht jedoch um die belebende Wirkung des Getränks.

Auch in Bremen nahm der Seehandel zu. Alle möglichen Handelswaren kamen über den Seeweg in die Hansestadt, Kaffee meist aus Kuba, da Bremen mit dem Land gute Handelsbeziehungen unterhielt. 1.000 Schiffe fuhren jährlich in den Bremer Hafen ein und nahmen im Austausch gegen Kaffee und andere Güter deutsches Leinen mit, das für die Sklav:innen auf den Plantagen benötigt wurden, da diese kaum Kleidung besaßen. Da der Kaffee im Hafen ankam, bot es sich an, auch dort – meist direkt in der Überseestadt – Fabriken zu eröffnen, um die Bohnen zu verarbeiten. 1905 gründete Ludwig Roselius die erste Kaffeefabrik Europas namens Kaffee Hag in Bremen. Des weiteren erhielt er das Patent für den Prozess der Entkoffeinierung.

Es entstanden weitere Fabriken und Röstereien in Bremen, in den 1920er Jahren gab es etwa 250 in Bremen. Doch als immer mehr Supermärkte öffneten, die den Kaffee verkauften, sank der Preis des Produktes und die meisten Röstereien schlossen. Einige jedoch sind noch heute hier ansässig. Dazu gehören unter anderem Jacobs, Westhoff, Kaffee Hag und Melitta, die 500.000 Packungen täglich produzieren. Lloyd Caffee ist seit 1930 in Bremen ansässig und damit laut eigener Aussage ›die älteste noch immer röstende Kaffeerösterei‹ Bremens.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Schiffe immer größer und die Arbeitsabläufe rund um die Kaffeeproduktion entwickelten sich stetig weiter, sodass immer mehr Kaffee produziert werden konnte. So wurde mit dem Handeln, Produzieren und Verkaufen von Kaffee eine Menge Geld in der Hansestadt verdient. Das änderte sich mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs. Um die Menschen zu ernähren, wurde die Produktion auf das Nötigste beschränkt und auf Kohlenhydrate wie Mehl und Kartoffeln konzentriert. Aber nach Kriegsende konnte der Seehandel wieder an Fahrt aufnehmen und Kaffee in Bremen produziert werden.

Auch heute noch ist die braune Bohne in diesem Bundesland das fünftwichtigste Importgut. Doch die Bedeutung des Kolonialgetränks hat sich gewandelt. Während es früher meist nur um die wachmachende Wirkung ging, spielen heute noch ganz andere Faktoren eine Rolle. Es wird ein größeres Augenmerk auf die Herkunft der Bohnen, die unterschiedlichen Anbauarten und Aromen gelegt. Handwerklich gerösteter Kaffee aus kleinen Röstereien gewinnt an Popularität. Doch um die Masse an Kaffeeliebhaber:innen mit ihrem Lieblingsgetränk zu versorgen, steht hinter dem Produkt weiterhin eine große Wirtschaft. Kaffee gilt als zweitwichtigster Rohstoff auf dem weltweiten Handelsmarkt. Deutschland ist mit 15 Prozent Marktanteil zweitgrößter Importeur der Welt, wobei die Bohnen heute meist aus Brasilien kommen.

Und produziert wird oft weiterhin unter schwierigen Bedingungen. Zwar hat sich Vieles im Vergleich zum 15. Jahrhundert verändert, doch unter dem vergleichsweise niedrigen Handelspreis leiden auch die Plantagenarbeiter:innen. Sie sind abhängig von den Regelungen großer Konzerne, haben lange Arbeitszeiten, gefährliche Fahrten zu den Farmen und ein hohes Risiko zu erkranken, da auf den Plantagen Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten werden. Zu leiden haben unter diesen Bedingungen nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder:

Wie eine Kampagne gegen Kinderarbeit berichtet, sind 60 Prozent der Arbeiter:innen auf den Plantagen Kenias Kinder, 53 Prozent sind es in Äthiopien.

Um diesen schlechten Arbeitsbedingungen entgegenzuwirken, wird mit Fairtrade Kaffee und der Zertifizierung von Produkten versucht, Transparenz und eine bessere Bezahlung der Produzent:innen zu schaffen. Eine Zertifizierung kostet die Bauern allerdings so viel, dass sie häufig nicht in Anspruch genommen werden kann.

Die Geschichte von Bremen als Kaffeestadt birgt somit einige dunkle Seiten. Jedoch hat die hier ansässige Industrie wesentlich dazu beigetragen, Kaffee als Lieblingsgetränk der Deutschen zu etablieren.