30 Jahre Queerfilm Festival

NORA BRUHNS

Das Queerfilm Festival feierte in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum. Eine der Gründer:innen, die Filmwissenschaftlerin Christine Rüffert, erzählt im Interview von der Gründung und den gesellschaftlichen Umständen in den verschiedenen Phasen des Festivals.

Das erste queere Filmfest, so Rüffert, entstand 1994 aus der Idee, an einem Wochenende nur queere Filme zu zeigen: ›Schwule und Lesben tauchten in Filmen eher als negative Personen auf. Es gab eigentlich keine positiven Bilder von Menschen, die homosexuell lebten.‹ Die wenigen Filme, die es gab, galt es dann zusammenzusuchen. Einer davon war der Stummfilm ›Michael‹ von Carl Theodor Dreyer aus dem Jahr 1924.

›Warum wir das gemacht haben, war eben auch, um empowernde Bilder und vor allen Dingen auch realistische Lebenswelten von homosexuell lebenden Menschen auf die Leinwand zu bringen. Das ist, glaube ich, auch immer noch der Kern des Festivals‹, so Rüffert.

Das Festival wurde in einer Zeit gegründet, in der es weder die Ehe für alle noch viele geoutete Menschen in der Öffentlichkeit gab. ›Es ging uns bei dem Festival um Sichtbarkeit und in Hinblick auf die Community selbst darum, einen Safe Space zu schaffen, in dem man sich gegenseitig seiner Identitäten und der sexuellen Orientierung versichert, das okay findet und nicht irgendwelchen Repressalien ausgesetzt ist.‹

Das erste Filmfest hatte einen guten Zulauf. Bereits im ersten Jahr wurden die Filme in zwei Kinos gezeigt. Aufgrund des hohen Zuspruchs liefen im darauffolgenden Jahr auch in Oldenburg in zwei Kinos Filme im Rahmen des Festivals, erinnert sich Rüffert. Trotz des Erfolges war das Festival lange eine ›Blase‹ von und für die Community. Denn was die öffentliche Wahrnehmung in der Stadt angeht, so die Gründerin, hat es mehr Zeit gebraucht.

›Ich finde, dass wir an unserem filmhistorischen Bewusstsein arbeiten müssen, dass wir das, was queere Filmkultur ausmacht, lebendig halten müssen.‹

Das Team ist mit den Jahren gewachsen und die Veranstalter:innen kommen heute vorwiegend aus dem queerfeministischen und transaktivistischen Lager. Auch die Inhalte der Filme hätten sich gewandelt. Während zu Gründungszeiten beispielsweise der Kinderwunsch bei homosexuellen Paaren Thema der gezeigten Filme war, sei dies heutzutage schon im Hollywood-Mainstream angekommen. ›Andere Themen tauchen neu auf, also Kämpfe um Selbstbestimmung von Trans-Personen sind vermehrt erst seit 15 Jahren ein Thema im Film, und es wird sicherlich weiter Neues dazukommen.‹

Homosexualität wird in vielen Ländern noch immer verfolgt und teilweise mit dem Tode bestraft, es sei besonders wichtig, dass hier ein Bewusstsein entstehe und eine öffentliche Diskussion stattfinde, um die Menschen, die in diesen Ländern leben, zu unterstützen, erzählt Rüffert. ›Manchmal hat allein die Tatsache, dass ein Film aus einem Land, wo er der Zensur unterliegt, auf Festivals gezeigt wird, schon Auswirkungen in diesem Land.‹ In dem Zuge arbeite das Queerfilm Festival auch mit dem Bremer Verein ›Queeraspora e.V‹, einer Gruppe von queeren Geflüchteten, zusammen. Themen, die für Rüffert noch immer zu kurz kommen, sind unter anderem das Problem der Normativität der binären Gesellschaftsordnung, die dafür verantwortlich ist, wie Gender und Rollenbilder in unserer Gesellschaft gehandhabt werden.

Als Filmwissenschaftlerin liege ihr auch der historische Aspekt des Filmfestes am Herzen: ›Ich finde, dass wir an unserem filmhistorischen Bewusstsein arbeiten müssen, dass wir das, was queere Filmkultur ausmacht, lebendig halten müssen. Dass so ein Kino und so ein Festival eigentlich auch ein Ort sein müssen, sich mit der eigenen Geschichte von Homosexuellen und Filmemacher:innen zu beschäftigen, also Klassiker aufzuführen und einfach, um auch zu merken, wo komm ich her, wer hat für mich gekämpft und wo stehe ich heute.‹ Dabei sind ihr neben den thematischen Inhalten auch die filmästhetischen Aspekte der auszuwählenden Filme wichtig.

Für Rüffert ist das Kino ein bedeutsamer Ort, an dem ein Raum für gesellschaftlichen Diskurs und Austausch geschaffen werden kann. ›Das Kino ist ein Ort, von dem ich möchte, dass er überlebt. Und ich finde, gerade bei Festivals wird das noch mal mehr deutlich, dass das soziale Miteinander, das gemeinschaftliche Schauen, das Diskutieren darüber, das Publikumspreise finden, das Sich-Aufhalten vor und nach dem Film eben die Stärke von Kino ist. Das wird bei so einem Festival deutlich - was Kino eigentlich bewirken kann.‹