Do it yourself? Do it Green!

LARA BECKER

Selbst gestrickte Winter-socken, der dekorative Kerzenständer aus alten Flaschen oder Regrowing von Lebensmittelresten auf der Fensterbank: DIY (Do it yourself), also das Herstellen oder Reparieren von Dingen in Eigenregie, ist vielseitig, erfreut sich großer Beliebtheit und ist dank YouTube-Tutorials und Social Media heute so zugänglich wie nie zuvor. Nicht zuletzt angesichts der Klimakrise gewinnt auch hier Nachhaltigkeit an Bedeutung – doch wie nachhaltig können solche grünen DIY-Projekte wirklich sein?

Historisch betrachtet war das Selbermachen lange Zeit überwiegendeiner Notwendigkeit geschuldet. Besonders in Zeiten der Mangelwirtschaft, musste aufgrund fehlender Ressourcen vieles selbst in die Hand genommen werden. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und dem zunehmenden Überfluss an Gütern in den Sechzigerjahren änderte sich dieser Lebensstil jedoch grundlegend. Konsum verdrängte Selbstgemachtes und ließ viele traditionelle handwerkliche Fähigkeiten in Vergessenheit geraten.  

Seit etwa zehn Jahren erlebt die DIY-Bewegung jedoch einen Boom, wobei die Motivationen zum Selbermachen ganz unterschiedlich sind, sagt Ulrike Sylla vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam, die ihre Dissertation zum Thema Handarbeiten und Nachhaltigkeit geschrieben hat. Eine individuelle Ebene, wie Vorerfahrung, Leidenschaft oder Entschleunigung kann ebenso ausschlaggebend sein wie eine gemeinschaftsfördernde Komponente. Auch gesellschaftlich ist DIY relevant: ›Der Nachhaltigkeitsgedanke ist bei einigen schon vorhanden‹, sagt Sylla. Nicht zuletzt schwingt häufig auch etwas Systemkritik mit und das Interesse, ›dieser Wegwerfgesellschaft etwas entgegenzusetzen‹. 

Definiert man Nachhaltigkeit als ein Prinzip, bei dem die Bedürfnisse der heutigen Generation erfüllt werden, ohne die der zukünftigen zu gefährden, liegen die Potenziale des grünen DIY vorwiegend in der Ressourcenschonung und Müllvermeidung. 

Ökologische Nachhaltigkeit kann vor allem durch Reparatur und Upcycling erreicht werden, einem Prozess, bei dem Abfall, alte oder ungenutzte Materialien in etwas Neues und im Idealfall Nützliches umgewandelt werden. Beispielhaft sind der Bau von Möbeln aus Rohstoffen wie alten Holzpaletten, Zero Waste DIY mit dem Ziel, Müll zu vermeiden, Wachstücher, die anstelle von Einweg-Plastikfolie verwendet werden oder die Herstellung von Reinigungsmitteln aus umweltfreundlichen Zutaten wie Essig, Natron oder Zitronensäure.

DIY ist längst kein Nischenmarkt mehr, sondern ein riesiges Geschäftsfeld mit oft wenig nachhaltigen Produktionspraktiken.

Passende Workshops bietet die Klimawerkstatt in der Bremer Neustadt an. ›Weniger ist mehr – das ist das, worum es bei DIY und Nachhaltigkeit gehen müsste‹, sagt Uta Bohl aus dem Klimawerkstatt-Team. Dies muss auch keinesfalls mit einem Gefühl von Verzicht verbunden sein. Neben einem finanziellen Gewinn ist es auch ›toll, Dinge selber zu machen‹, sagt sie.

Auch das Upcycling von Klamotten durch Nähen oder Reparieren, um die Lebensdauer von Textilien zu verlängern, ist gut für die Umwelt. Bedenkt man, dass die Textilindustrie der drittgrößte Verursacher von Wasserverschmutzung und für rund zehn Prozent der gesamten CO2-Emissionen weltweit verantwortlich ist, ist ein Umdenken dringend erforderlich. Zudem ist Selbermachen kreativ und ermöglicht durch Individualisierung einen Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Bereits in den Siebziegerjahren nutzte die Punkbewegung selbstgestaltete Kleidung, um sich abzugrenzen und ein Zeichen gegen den kapitalistischen Konsum zu setzen.

Eine weitere wichtige Säule für nachhaltiges DIY ist die Reparatur. Hierzu bietet die Klimawerkstatt jeden Mittwoch ein Repaircafé an. Neben sozialem Miteinander ist auch die dadurch wiedererlangte Selbstermächtigung ein großer Benefit.

Darüber hinaus können DIY-Projekte, die darauf abzielen, die Energieeffizienz zu steigern, einen erheblichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Trotz der zahlreichen Vorteile birgt DIY aber auch einige Fallstricke, die dazu führen können, dass Projekte zur Umweltbelastung mutieren.

DIY ist längst kein Nischenmarkt mehr, sondern ein riesiges Geschäftsfeld mit oft wenig nachhaltigen Produktionspraktiken. Allein der Umsatz von Heim- und Baumärkten lag 2023 weltweit bei etwa 2,6 Billionen Euro. Doch nicht jedes DIY-Produkt fördert Nachhaltigkeit: Der vor Jahren angeschaffte, aber nie genutzte Winkelschleifer ist genauso wenig umweltfreundlich wie Bastelsets aus neuen, nicht recycelbaren Materialien. Auch Upcycling ist nicht nachhaltig, wenn Produkte einzig für neue Projekte erworben werden, anstatt vorhandene Ressourcen sinnvoll zu nutzen.

Trotz finanzieller Einsparungen auf lange Sicht, können zudem hohe Investitionskosten anfallen. Abhilfe könnten Tausch- und Leihgaben schaffen, was auch dem Nachhaltigkeitsanspruch gerecht werden würde. Zudem sind DIY-Projekte oft zeitintensiv. Recherche, Planung, die Suche nach Material bis hin zur Durchführung mit möglichen Fehlversuchen, können abschrecken, zumal sich gerade in Bezug auf eine Reparatur am Ende doch nicht immer alles retten lässt.

Unklar ist auch, welche Zielgruppe und wie viele Menschen diese Bewegung überhaupt erreicht. Um grüne Ideologie zu leben, bedarf es einiger Grundvoraussetzungen. ›Upcycling können wir uns leisten als Lebensstil, weil wir so viel haben‹, sagt Uta Bohl. Das größte Potenzial von DIY sieht Ulrike Sylla in einer Bewusstseinsförderung für nachhaltige Themen und Lebensweisen, indem DIY den Blick für den Wert von Rohstoffen, Dingen und der zur Herstellung benötigten Arbeitszeit neu schärfen kann. ›Du wirst mit Urban Gardening nicht die Welt retten können, aber du kannst sensibilisieren‹, sagt sie.

Neben Selbstermächtigung, Kreativität, Geldersparnis und der Möglichkeit, Protest gegen übermäßigen Konsum auszuüben, können DIY-Projekte durchaus einen nachhaltigen Impact haben. Wenngleich eher klein und auf persönlicher Ebene, hat auch der Tropfen auf dem heißen Stein seinen Wert, selbst wenn die großen Hebel zur Veränderung am Ende doch bei der Politik liegen.